Frauen im Reutlinger Kreistag 

Laura Schradin kann als erstes weibliches Mitglied der Amtsversammlung des Oberamts Reutlingen gelten. Nach Ausweis der Amtsversammlungsprotokolle vertrat sie als Reutlinger Gemeinderätin am 27. März 1923 den Reutlinger Delegierten und Fraktionskollegen Eugen Weit. Sie hatte jeweils Stimmrecht. Unter anderem wurde von der Amtsversammlung am 27. März 1923 die Bezirkssatzung über die Aufstellung einer Krankenhauskommission beschlossen.

Dr. med. Hedwig Müller zog 1946 für die SPD als erste demokratisch gewählte Frau in den Kreistag Reutlingen ein. Sie wurde für die Dauer von drei Jahren gewählt. In dieser Zeit war sie Mitglied des Krankenhausausschusses.
Sowohl vor als auch nach ihrer Zeit im Kreistag war die 1933 in Würzburg promovierte Medizinerin in Pfullingen und Reutlingen als Zahnärztin tätig.

Lisel Zweigle war eine, so hieß es, liebenswürdige, offene und verlässliche Frau. Und auf eines konnten sich sowohl ihre Mit­bürger als auch politischen Geg­ner immer verlassen: ihre Kämpfernatur. 
Mit ganzem Herzen kämpfte sie vor allen Dingen für die Be­lange der Älteren, Kranken und Bedürftigen. Dabei standen ihre privaten Interessen und die ihrer Partei immer hinten an. Gefürchtet waren ihre Zwi­schenrufe in den Sitzungen, denn sie waren treffsicher und ehrlich. Selbst gegen einen Oberbürgermeister setzte sie sich durch. Nicht zuletzt verschaffte sie sich mit ihrer Leidenschaft und ihrem gutem Herzen großen Respekt in einer damals durchweg von Männern dominierten politischen Land­schaft. 

Die Politik begleitete Gertrud Pfeilsticker ein Leben lang. In ihrem Elternhaus wurden politi­sche Ereignisse frei diskutiert und schon in jungen Jahren beteiligte sie sich bei den örtlichen Jung­demokraten, war Mitglied der Uracher Künstlerkolonie und enga­gierte sich für wohltätige Zwecke. 1925 folgte die wissbegierige Uracherin ihrem Verlobten nach Persien und kehrte nach drei erfahrungsreichen Jahren zurück. Aktives Parteimitglied wurde sie nach dem Zweiten Weltkrieg, um nach den schicksalhaften Jahren des Nationalsozialismus politische Verantwortung zu übernehmen und Mitzuwirken. Sie verstand sich als "Bindeglied zwischen Bürger und Politik" und galt in Sitzungen als unangenehme Ge­sprächspartnerin. Nicht zuletzt wegen ihren nachbohrenden Fra­gen und ihrem großen Einsatz errang sie "unbestreitbare" Ver­dienste im Wohnungsausschuss und Sozialausschuss.

Als Waltraud Lumpp bemerkte, wie viele ältere Mitbürger immer weniger Orte hatten, viele ,,heimatlos" geworden waren, begann sie sich Gedanken über die Altenarbeit zu machen: Ältere Menschen sollten noch stärker am täglichen Leben beteiligt werden. So organisierte sie Seniorenreisen, musikalische Abende und Sportveranstal­tungen. Damit leistete sie als erste Kreisaltenpflegerin bundes­weit Pionierarbeit und war beispielsgebend für das ganze Land. Ihrem Leitspruch „Was nicht zur Tat wird, hat keinen Wert" (Gustav Werner) wurde sie durch ihre Hartnäckigkeit und ihrem starken Willen, etwas zu ändern gerecht. Mit ihrer emotionalen Wärme sowie ihrem Engagement kümmerte sie sich auch um Gastarbeiterkinder und deren Familien. 

Dr. med. Ursula Kost studierte wäh­rend des Zweiten Weltkriegs Medizin. Schon zu diesem Zeitpunkt war ihr die Psyche ein wichtiges Anliegen, doch erst in der Nachkriegszeit kam die Lehre der Psychotherapie auf, der sie sich ein Leben lang ambitioniert widmen sollte. So hatte sie während ihrer Funktion als Kreisverordnete nach einem Besuch des Kreiskinder­heimes Staufenberg auf die den dort untergebrachten Kindern drohenden Gefahren des Hospitalismus (= eine psychisch begründete schädliche Nebenwirkung bedingt durch länge­ren Heim- oder Klinikaufenthalts) hin­gewiesen. Nach ihrem Ausflug in die Kommunalpolitik entschied sie sich jedoch dazu, sich ganz auf die Konzentrative Bewegung zu konzen­trieren und bildete vor allem KBT­Therapeuten aus. Auf der einen Seite war sie diejenige, die alles klar zu deuten wusste, auf der anderen Seite aber sprach sie mit „ihrer warmen, mütterlichen und emotionalen Art" ihre Teilnehmer an. Dadurch wurde sie als Lehrerin und Freundin sehr ge­schätzt. Auch nach ihrem Ruhestand war sie weiterhin sehr an der Arbeit in der Psychologischen Beratungsstelle interessiert und beobachtete diese wach. 

Dora König sorgte mit ihrer dy­namischen, selbstbewussten und offenen Art für Wirbel in ihrer Partei: Sie setzte viel Hoffnung in einen „jüngeren" und „flexi­bleren" Kreistag, in dem Frauen auch „ihren Mann" stehen kön­nen. Dass eine junge Frau sich nicht hinter Wahlplakaten verste­cken müsse, zeigte sie bei ihrem einzigartigen „Spezialwahlkampf". Bei diesem konzentrierte sie sich vor allem auf die Kommunikation zwischen den Wählern und ihr. So suchte sie das Gespräch mit den Bürgern in Gaststätten, zog mit ihren Mitstreitern zum Frühschoppen und zu politischen Abendrunden. Dabei punktete sie mit ihrem selbstlosen Auftreten und ihrer fundierten Sachkenntnis in kom­munalpolitischen Belangen. Bei ihrer politischen Arbeit kämpfte sie vor allem für Besserungen in den Bereichen Krankenhauswe­sen, Jugendarbeit sowie Sozialpoli­tik. So forderte sie unter anderem die bestmögliche Betreuung so­wie Versorgung von Pflegebedürf­tigen und das Einrichten von Jugendzentren.

Carola Klenk teilte das Schicksal vieler Frauen nach dem Krieg: verwitwet und mit den Kindern vollkommen auf sich alleine gestellt. Hinzu kamen die auf­reibenden Behördengänge für das bis dahin „behütete Frau­chen", das mit Politik nie etwas zu tun haben wollte. Getreu ihrer Lebensaufgabe anderen zu helfen, setzte sie sich für Kriegerwitwen ein. Oberbürger­meister Oechsle lobte ihre Tat­kräftigkeit und Hilfsbereitschaft: „Sie packte zu, wo es galt, die ärgste Not zu beseitigen oder wenigstens zu lindern." Sie kämpfte für die Halbtagsarbeit und das „Bundesversorgungs­gesetz" wurde zur Nachtlektüre. Sie setzte sich für den sozialen Wohnungsbau ein ebenso für behindertenfreundliche Woh­nungen und setzte ihre Ideen für das Kinderheim Hohbuch durch. Selbst hochbetagt war sie für ihre Mitbürger da, organisierte Feiern und Ferienreisen, um ihnen ein Gefühl der Geborgen­heit zu vermitteln. 

Susanne Hubberten galt als eine Persönlichkeit mit Ecken und Kanten, welche als "Quer­denkerin" oft aneckte. Einige Liberale nahmen das Textil­unternehmen "Büsing und Co." ihrer Familie zum Anlass, sie hämisch als "Porolastic-Suse" zu bezeichnen. Dabei besaß sie ungeachtet ihrer Herkunft den Drang, Bedürftigen helfen zu wollen. Das Wohl der Kinder lag ihr besonders am Herzen. Deswegen wurde sie als das "Soziale Gewissen der FDP" bezeichnet. Ein weiterer ihrer Beinamen war "Mutter der Tagesmütter". Dank ihres enga­gierten Einsatzes wurden zahl­reiche Kindergarten-, Krippen­ und Hartplätze geschaffen. Denn um den Kindern zu helfen, so ihre Devise, müsse erst den Müttern geholfen werden. 

Für Margita Gudrun Hahn war die Tätigkeit im Kreistag etwas ganz be­sonderes. Als sie in der Nacht nach der Kreistagswahl erfuhr, dass sie in den Kreistag gewählt worden war, begann für sie ein neuer Lebens­abschnitt. Sie beschloss sich ganz auf die Kommunalpolitik zu konzen­trieren und ihr Privatleben hinten anzustellen. Um der verantwor­tungsvollen Position einer Kreisrätin gerecht zu werden, war sie sehr selbstkritisch und wollte vor allem ihre Sprache und Ausdrucksweise verbessern. Daher reiste sie viel und besuchte einige Rhetorikkurse, was ihr durchaus Respekt von den anderen Kreistagsabgeordneten ein­brachte. Durch ihre "ausgeflippte" jugendliche Art und ihrem starken Interesse für die Jugendarbeit, konnte sie eine Vertrauensbezie­hung zu den Jugendlichen auf­bauen. So trug sie maßgeblich dazu bei, dass einige Probleme im Bereich der Jugendarbeit gelöst werden konnten. 

Gisela Breusch hat ihr Leben lang immer wieder neue Herausfor­derungen und Aufgabengebiete gesucht: So entschied sie sich dazu auf kommunaler Ebene politisch tätig zu werden. Durch ihre dominante und kompetente Art konnte sie den Zwischen­rufern im Kreistag Paroli bieten. Dank ihrer Erfahrung als Haus­wirtschaftsschulrätin waren vor allem ihre sachlichen und kon­struktiven Beiträge hinsichtlich des Schulwesens gefürchtet. Für sie ist eine starke Persönlichkeit sowie ein selbstbestimmtes Han­deln in der Politik obligatorisch, nur so sei es möglich, in der Politik ernst genommen zu werden.