Adolf Kommerell

geboren am 01. Dezember 1868 in Tübingen
gestorben am 24. April 1931 in Reutlingen

Adolf Kommerell (1868–1931).
Der erste Reutlinger Landrat in einer „neu
angebrochenen Zeit“

Als Adolf Kommerell am 9. Dezember 1918 das Amt des Reutlinger Oberamtsvorstehers antrat, war gerade der Erste Weltkrieg zu Ende gegangen. Seit der Novemberrevolution bildeten sich allerorts im Deutschen Reich Arbeiter- und Soldatenräte. Die monarchischen Herrscher dankten ab. Wilhelm II. von Württemberg verzichtete gerade einmal neun Tage vor Kommerells Amtsantritt auf die Krone. Der Verwaltungsbeamte Kommerell, der seine gesamte Laufbahn in dem altbewährten System der württembergischen Oberämter absolviert hatte, übernahm nun die Verantwortung in einer Zeit des politischen Umbruchs. Fast die gesamte Weimarer Republik hindurch sollte er die Geschicke des Oberamtes lenken. Als Landrat Adolf Kommerell am 24. April 1931 im Bezirkskrankenhaus Reutlingen nach längerem Leiden einer Lungenkrankheit erlag, befand sich die parlamentarische Demokratie bereits in einer tiefen Krise und die Zeichen deuteten wiederum auf einen Umbruch hin.
Adolf Kommerell wurde am 1. Dezember 1868 in Tübingen als ältester Sohn des gleichnamigen Gastwirts und Kaffeehausbesitzers und Wilhelmine (Mina) Weiß geboren.1 Sein Vater, einer alten bürgerlichen Tübinger Familie entstammend, hatte im Jahre 1873 das beliebte Café Kommerell in der Pfleghofstraße in Tübingen gegründet, „in dessen behaglichen Räumen Bürger und Studenten stets gerne [. . .] verkehrten.“2 Zum 85. Geburtstag der Mutter wird diese in der Tübinger Chronik als „echte Tübinger Studentenmutter“ bezeichnet, hatte sie doch Generationen junger Akademiker in ihrer „patriarchalisch-mütterlichen Art ihren Rat geliehen“.3 Sein Bruder Hermann trat in die Fußstapfen des Vaters, wurde Hotelier und übernahm nach dem Verkauf des väterlichen Cafés das Hotel Kronprinz in Reutlingen.4 Der drittgeborene Karl wurde Mathematiker und Professor in Tübingen.5 Der jüngste Bruder Otto wurde Ingenieur und war Abteilungspräsident bei der Reichsbahnbaudirektion in Berlin. Er gab auch die hier zitierte Familienchronik heraus.6

"Gruß vom Café Kommerell"
„Gruß vom Café Kommerell“, Postkarte aus dem Jahr 1897 mit Darstellungen der Außenansicht und Gastraum sowie von Touristenzielen der Umgebung.
(Bildnachweis: StadtA Tübingen, D 174/554)


Am 1. Mai 1897 heiratete Adolf Kommerell die in Reutlingen geborene Mina Maier, Tochter des mittlerweile in Tübingen wohnhaften Privatiers Johann Georg Maier. Aus der Ehe gingen zwei Töchter hervor. Mina Hildegard wurde 1898 in Rottenburg geboren und Herta Elisabeth 1906 in Reutlingen.7
Adolf Kommerell konnte sicherlich schon früh im Café der Eltern das studentische Leben unmittelbar erfahren. Die Verbindung der Familie zur Landesuniversität sollte sich jedoch nicht nur auf die Bewirtung beschränken. Bis 1885 besuchte er das Gymnasium in Tübingen, seine Reifeprüfung legte er dann 1886 in Ulm ab und immatrikulierte sich im gleichen Jahr an der Universität Tübingen.8 Zunächst studierte er Forstwissenschaften, wechselte 1888 jedoch zu den Regiminalwissenschaften (Staatswissenschaften) und fasste somit eine Beamtenlaufbahn in den Blick. Nachdem er im Herbst 1891 die Erste Höhere Verwaltungsdienstprüfung abgelegt hatte, absolvierte er anschließend ein Referendariat im Oberamt Tübingen. Während dieses einjährigen Referendariats wurde er auch zwei Monate nach Pliezhausen versetzt, wo er den örtlichen Verwaltungsaktuar Oswald unterstützte. In seinem Zeugnis ist zu lesen, dass „sich Kommerell das Lob eines eifrigen und fleißigen Mannes verdient“ habe und er „für die praktischen Geschäfte recht brauchbar“ sei.9 In Pliezhausen hatte er sich in das Steuer- und Rechnungswesen eingearbeitet und bekam eine musterhafte Führung attestiert. Zum zweiten Jahr seines Referendariats wechselte Adolf Kommerell nach Reutlingen zur Regierung des Schwarzwaldkreises. 1893 legte er die Zweite Höhere Justizdienstprüfung ab und trat zum 29. Juni in die württembergische Innenverwaltung ein.
In der Folgezeit wurde Adolf Kommerell in zahlreichen Oberämtern eingesetzt und nahm Vertretungsstellen in Heidenheim, Crailsheim, Gerabronn, Rottenburg, Geislingen und Künzelsau an. 1899 kehrte er nach Reutlingen zurück und wurde Amtmann beim Oberamt Reutlingen. Vom November 1902 an trat er in den Dienst der Regierung des Schwarzwaldkreises. Hier wurde er zunächst als Kollegialhilfsarbeiter und ab 1905 als Regierungsassessor eingesetzt. Der Rang und Titel eines Oberamtmannes wurde ihm 1906 verliehen. Nachdem die Stelle des Oberamtsvorstehers in Nagold frei geworden war, bewarb sich Kommerell 1909 um die dortige Leitung und bekam die Stelle. Nach neun Jahren als Oberamtsvorsteher in Nagold wurde er 1918 zum Regierungsrat befördert und bewarbt sich im gleichen Jahr für die Leitung des Reutlinger Oberamtes. In diesem Zusammenhang stellte die Kreisregierung ein Zeugnis aus: „Oberamtmann Kommerell ist ein kenntnisreicher, fähiger Bezirksbeamter, der sein Amt mit Umsicht und Hingebung verwaltet und in seinem Bezirk große Achtung geniesst. Auch im Kollegialdienst – er hatte bei der Kreisregierung über 5 Jahre das schwierige Wasserreferat zu besorgen – hat er sich bewährt. Seine dienstliche und ausserdienstliche Führung ist tadellos.“10 Wie eingangs beschrieben, lenkte er ab dem 9. Dezember 1919 die Geschicke des Reutlinger Oberamts. Seit 1928 führte er, als erster im Oberamt beziehungsweise Landkreis, den Titel „Landrat“.11

Adolf Kommerell in Galauniform eines hohen württembergischen Beamten, vor 1918.
Adolf Kommerell in Galauniform eines hohen württembergischen Beamten, vor 1918 (Familienchronik
Kommerell, Bild Nr. 54).


Im Nachruf des Reutlinger General-Anzeigers wird Landrat Kommerell als ein korrekter, umsichtiger und entgegenkommender Beamter beschrieben, der sich Sympathien in weiten Kreisen der Bevölkerung erworben habe. Gerade in der politisch unruhigen Nachkriegszeit und der jungen Weimarer Republik schätzte man seine „ruhige und sichere Behandlung der Dinge“, was dazu führte, dass er trotz der wetteifernden politischen Anschauungen einen vernunftmäßigen Fortgang der öffentlichen Verwaltung gewährleistete und so seinen Beitrag dazu leistete, dass sich die Verhältnisse im Reutlinger Oberamt konsolidierten.12
Die württembergischen Oberämter waren, als Vorgängerinstitutionen der Landkreise, mittlere Verwaltungseinheiten mit kommunalem und staatlichem Aufgabenspektrum. Die Gemeinden des Oberamtes bildeten die Amtskörperschaft, eine Gebietskörperschaft, die mit der Amtsversammlung über ein eigenes Parlament und der Amtspflege über einen eigenen Haushalt verfügte. Ein von der Amtsversammlung gewählter Beirat (bis 1906 Amtsversammlungs-Ausschuss) erledigte die laufenden Geschäfte.13 Der Oberamtsvorsteher, später Landrat, war zugleich staatlicher Verwaltungsbeamter und Vorsitzender der Amtsversammlung. Zu seinem Dienstantritt trug Adolf Kommerell den eigenhändigen Vermerk ins Oberamtsprotokoll ein: „Am 9. Dezember 1918 hat der zum Oberamtsverweser bestellte Regierungsrat Kommerell von Nagold das Amt übernommen.“14
Die erste Sitzung des Bezirksrates leitete Kommerell bereits am 28. Dezember 1918,15 die erste Amtsversammlung unter seiner Führung tagte am 13. Februar 1919. Im Protokoll dieser Sitzung findet sich eine Zusammenfassung seiner Antrittsrede. In dieser Rede gedachte Kommerell „der neu angebrochenen Zeit, dankte den Soldaten, die die Greuel des Krieges“ vom Vaterland „ferngehalten haben und begrüßte die heimgekehrten Krieger mit dem Wunsche, daß sie ihr Fortkommen wieder finden mögen.“16 An die Mitglieder der Amtsversammlung gewandt, verdeutlichte Kommerell, dass er kein festes Programm habe. Vielmehr „halte er es für seine Aufgabe, alle Bestrebungen des Bezirkes tatkräftig zu unterstützen, er werde die Verhandlungen gerecht leiten“. Gleich beim ersten Tagesordnungspunkt ging es um
wichtige Themen für den Übergang zu der von Kommerell bezeichneten „neu angebrochenen Zeit“: die Erwerbslosenfürsorge nach der Demobilmachung, die Aufnahme von Arbeitslosen, den Umgang mit Frauen in Dienststellen, die „Kriegskrankenkasse“ sowie Kriegszulagen für Beamte.
In seiner Funktion als Oberamtmann und Vorsitzender der Amtsversammlung saß Kommerell in verschiedenen Gremien und hatte unterschiedliche Funktionen inne. So gehörte er unter anderem dem Verwaltungsrat der Oberschwäbischen Elektrizitätswerke und des Sparkassen- und Giroverbands an, war stellvertretender Vorsitzender der Landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaft in Reutlingen und Bezirksvertreter des Landesvereins vom Roten Kreuz.17

Handschriftlicher Eintrag Kommerells im Amtsversammlungsprotokoll
Adolf Kommerell übernimmt die Dienstgeschäfte. Eigenhändiger Eintrag im Amtsversammlungsprotokoll (KreisA Rt., R 1/1 Nr. 31).

In seine mehr als elfjährige Dienstzeit fallen verschiedene Schwerpunktthemen, welche die großen Herausforderungen der Zeit auf Bezirksebene widerspiegeln. Ein zentraler infrastruktureller Aspekt war die Anpassung der Straßen an die veränderten Verkehrsverhältnisse, die auf der Zunahme des Kraftwagen- und Kraftpostverkehrs beruhten. Nach dem Kriegsende wurden zahlreiche Nachbarschaftsstraßen ausgebaut, wobei die Straße von Pfullingen nach Genkingen über die Stuhlsteige besondere Erwähnung verdient.18 Weiterhin wurden unter anderem die Kraftpostlinien von Reutlingen nach Willmandingen und nach Würtingen eingerichtet. Die Nebelhöhle erhielt eine Zufahrtsstraße und es wurde im Rahmen von Notstandsarbeiten mit dem Bau einer neuen Verbindungsstraße ins Steinlachtal begonnen.19
Die rege Bautätigkeit führte jedoch zu Spannungen mit der Stadt Reutlingen, die aufgrund der Umlage für einen Großteil der Kosten aufkommen musste. Oberbürgermeister Dr. Haller ermahnte die Amtskörperschaft im Rahmen einer Gemeinderatssitzung zu Sparsamkeit bei Straßenbauten und verdeutlichte, dass er als Mitglied des Bezirksrats genau auf Einsparmöglichkeiten achten werde.20 Bei Ausbesserungsarbeiten an der Nachbarschaftsstraße Betzingen–Wannweil warf der Gemeinderat der Amtskörperschaft Verschwendung und Durchführung von unzweckmäßigen Ausführungen vor. Daraufhin äußerte sich Landrat Kommerell am 27. Januar 1930 im Reutlinger General-Anzeiger und stellte die Situation aus der Sicht des Oberamtes dar. Dem Gemeinderat warf er hierbei Unkenntnis des Sachverhaltes vor und sprach ihm die Berechtigung der Kritik ab. Er wertete die Äußerung des Gemeinderates als einen Angriff auf seine Verwaltung: „Es mehren sich in letzter Zeit die Fälle, in denen gegen die Amtkörperschafts-Verwaltung seitens der Stadtverwaltung Reutlingen öffentlich ungerechtfertigte Angriffe unternommen werden. Die Amtskörperschafts-Verwaltung sieht sich daher zu ihrem Bedauern gezwungen, solche Angriffe unter Darlegung des wirklichen Sachverhalts auch öffentlich zurückzuweisen.“21 Der Streit wurde auch anschließend weiter öffentlich ausgetragen. Oberbürgermeister Haller erklärte, dass Landrat Kommerell „der sehr merkwürdigen Ansicht“ sei, „daß der Gemeinderat kein Recht habe, Dinge in rein sachlicher Weise zu besprechen“, und äußerte sich zu dem von ihm empfundenen Verbot jeglicher Kritik: „Diese Zumutungen sind so unerhört, daß ich keine Worte zu ihrer richtigen Kennzeichnung finde.“22
Die anderen Gemeinden im Oberamt profitierten jedenfalls von den infrastrukturellen Investitionen. Dazu gehörte auch der Ausbau der Wasserversorgung. Ohmenhausen, Wannweil, Mägerkingen und Bronnen bekamen neue Wasserleitungen und Hausanschlüsse.
Adolf Kommerell setzte sich persönlich für die Verbesserung des Feuerlöschwesens ein.23 Das Oberamt beschloss auf seine Anträge hin, die Beschaffung einer Kraftfahrspritze und einer Autodrehleiter, welche beide zum 100-jährigen Jubiläum der Freiwilligen Feuerwehr Reutlingen als Ehrengabe überreicht wurden. Voraussetzung war die Bereitschaft, die beiden Geräte auch bei Bränden außerhalb der Stadt einzusetzen.24 Für sein Engagement wurde Kommerell schließlich im Jahr 1926 mit der Ehrenmitgliedschaft der Freiwilligen Feuerwehr Reutlingen ausgezeichnet.25 1928 wurde die Stadt Pfullingen ebenfalls bei der Anschaffung einer Kraftfahrspritze unterstützt, die im Falle eines Brandes aber auch in anderen Bezirksgemeinden eingesetzt werden konnte.26
Zur Landwirtschaft hatte Kommerell bereits durch seine Mitgliedschaft im Vorstand der Berufsgenossenschaft eine enge Verbindung und laut seinem Nachruf erfreute sich die Fleckviehzuchtgenossenschaft seiner ständiger Aufmerksamkeit.27 Die Pfullinger Jungviehweide wurde 1928 mit einem Beitrag aus der Amtskörperschaftskasse gefördert.28 In Pfullingen waren zuvor bereits eine Distriktstierarztstelle eingerichtet worden.29 Der Obstbau erfuhr durch die Anstellung eines hauptamtlichen Oberamtsbaumwarts im Jahre 1925 eine Förderung.30 Kommerell selbst war Zweiter Vorsitzender des Obst-und Gartenbauvereins Reutlingen und engagierte sich in diesem Bereich wohl auch persönlich.31
In seiner Dienstzeit erhielt das Oberamt zwei zentrale neue Aufgaben im sozialen Bereich.
Die Verwaltung des neu geschaffenen „Arbeitsnachweises Reutlingen –Münsingen“, das spätere Arbeitsamt, wurde 1923 auf die Amtskörperschaft übertragen32 und auch das Jugendamt wechselte in deren Verantwortung. Die Satzung, welche das Landesjugendwohlfahrtsgesetz realisieren sollte, wurde in der Amtsversammlung am 14. Juni 1928 beschlossen.33
Der Ausbau des Bezirkskrankenhauses war Kommerell ein besonderes Anliegen. Während seiner Dienstzeit wurde eine neue Chefarztstelle für die Innere Abteilung geschaffen und ein Oberarzt für die Chirurgie angestellt.[34] Zudem sollte ein Erweiterungsbau in die Wege geleitet werden. Unstimmigkeiten mit der Stadt herrschten zunächst jedoch bei der Umsetzung. Landrat Kommerell äußerte sich in der gemeinsamen Sitzung des Bezirksrats mit der Krankenhauskommission am 24. Juli 1929 dahingehend, dass er einen vollständigen Neubau des Bezirkskrankenhauses als ideale Lösung ansehe, dies aber wegen der finanziellen Belastung von Amtskörperschaft und Gemeinde kaum umsetzbar sei. Sprachführer für einen Erweiterungsbau war Oberbürgermeister Dr. Haller, der keinerlei Notwendigkeit für einen Neubau erkennen konnte und die Kosten für die Stadt Reutlingen möglichst gering halten wollte. Am 16. Januar 1930 beschloss die Amtsversammlung dann einen Erweiterungsbau mit 120 Betten, der wegen der wirtschaftlichen Situation jedoch vom Innenministerium abgelehnt wurde. Erst Mitte der 1930er Jahre befasste sich das Oberamt wieder mit Plänen zur Erweiterung des Kreiskrankenhauses.35

Modell des Erweiterungsbaus für das Bezirkskrankenhaus in Reutlingen
Modell des Erweiterungsbaus für das Bezirkskrankenhaus in Reutlingen, Front gegen die Goethestraße, 1929 (KreisA Rt., R 3
Nr. 449).


Die Bautätigkeit des Oberamts erstreckte sich auch auf die Verwaltungsgebäude. Dies ging nicht zuletzt auf die zunehmenden Aufgaben des Oberamtes zurück. So wurden schließlich die Pläne für einen neuen zusammenhängenden Gebäudekomplex für die Behörden in der Bismarckstraße 16 und das Arbeitsamt in der Bismarckstraße 14 realisiert,36 und mit den Arbeiten für das neue Oberamtssparkassengebäude am Marktplatz wurde ebenfalls begonnen.37

Kommerell erkrankte im Jahr 1923 an einer Lungenblutung. In der Folge war er von Dezember 1923 bis März 1925 die meiste Zeit dienstunfähig. Im Jahre 1930 verschlechterte sich sein gesundheitlicher Zustand wieder. An der Amtsversammlung am 7. November 1930 konnte er bereits nicht mehr teilnehmen. Er wurde in dieser und der folgenden Sitzung von Regierungsrat Dr. Wanner vertreten.38 Wenige Monate später verstarb Adolf Kommerell im Bezirkskrankenhaus an einer erneut ausgebrochenen Lungenerkrankung. Der Nachruf im Reutlingern General-Anzeiger vom 25. April 1931 schloss mit folgendem Fazit:
„Abschließend ist zu sagen, daß Landrat Kommerell durch seine offene und gewinnende Art verstanden hat, im vertrauensvollen Zusammenarbeiten mit den Vertretern der Amtskörperschaft und der Gemeinden, sowie mit den ihm unterstellten Beamten – denen er immer ein großes Maß von Selbständigkeit einräumte – dem Wohle des Bezirks und seiner Bevölkerung in glücklicher Weise zu dienen. Sein früher Tod hat ein starkes Wollen und Können vorzeitig lahmgelegt. Der Verstorbene wird aber durch seine Arbeit und seine Werke in der dankbaren Erinnerung des Bezirks Reutlingen fortleben.“

Landrat Adolf Kommerell
Landrat Adolf Kommerell, Aufnahme nach 1928 (Bildnachweis: StadtA Rt.,
S105/1 Nr. 186.68.).


In einer Zeit, in der der Landrat nicht gewählt, sondern als hochrangiger Beamter vom Innenministerium eingesetzt wurde, hatte Adolf Kommerell nur wenige repräsentative Aufgaben und trat nur selten öffentlichkeitswirksam in Erscheinung. Vielmehr ging es ihm darum, mit seinen Beamten und in Zusammenarbeit mit den Vertretern der Amtskörperschaft die vermehrten Aufgaben im Oberamtsbezirk zu bewältigen. Diesen Arbeitsauftrag formulierte er bereits in seiner Antrittsrede in seiner ersten Amtsversammlung und laut den Nachrufen scheint er dies auch so praktiziert zu haben. In den Protokollen erscheint Kommerell als oberster Verwaltungsbeamter im Kreis, der mit den Gemeinden verhandelte, vor Ort mit den Beteiligten sprach und daraus die Vorschläge entwickelte, die dann unter seinem Vorsitz im Bezirksrat erörtert und schließlich in der Amtsversammlung zur Abstimmung gebracht wurden. Was wir aus den Akten über sein Wirken erfahren, passt zu jenem Bild, das der General-Anzeiger über ihn zeichnete. Demnach hatte er seine selbst gesteckten Ziele erreicht und die Herausforderungen der „neu angebrochenen Zeit“ erfolgreich absolviert. Viele Entscheidungen aus seiner Dienstzeit, zuvorderst seien die Baumaßnahmen und infrastrukturellen Investitionen genannt, prägten und prägen bis heute den Kreis und die Stadt Reutlingen.

(Autor: Dr. Marco Birn)


1 Die Lebensdaten der Familie Kommerell hier und im Folgenden entstammen der Familien-
chronik Kommerell, hrsg. von Otto Kommerell, Frankfurt am Main 1943, § 1357.
2 Vgl. ebd., § 1219.
3 Zit. nach ebd.
4 Vgl. ebd., § 1358.
5 Vgl. ebd., § 1359.
6 Vgl. ebd., § 1360.
7 Vgl. ebd., § 1357.
8 Die Informationen zu seiner Laufbahn hier und im Folgenden entstammen der Akte seiner
Anstellung: Landesarchiv Baden-Württemberg, StA Ludwigsburg, E 1731 Bü 261.
9 Zit. nach ebd.
10 Zit. nach ebd.
11 Die Personalakte von Adolf Kommerell findet sich im KreisA RT, B 1303 Nr. 1203.
12 Vgl. Reutlinger General-Anzeiger (im Folgenden: GEA) vom 25.4.1931.
13 Zur Entwicklung von Oberamt und Amtskçrperschaft siehe Irmtraud Betz-Wischnath:
Vom Oberamt zum Großkreis – Zur Entstehungsgeschichte des Landkreises Reutlingen, in: RGB NF 37 (1998), S. 309– 352, hier S. 320 – 323.
14 Zit. nach KreisA RT, R 1/1 Nr. 31.
15 Vgl. ebd. Nr. 12, Sitzung vom 28. 12. 1918.
16 Zit. nach KreisA RT, R 1/1 Nr. 18.
17 Vgl. GEA vom 25. 4. 1931.
18 Zum Straßenausbau in jener Zeit vgl. die Protokolle der Amtsversammlung KreisA RT,
R 1/1 Nr. 16.
19 Zum Bau der Straße ins Steinlachtal vgl. KreisA RT, R 3 Nr. 260.
20 Schwarzwälder Kreiszeitung, Reutlinger Tageblatt vom 24. 1. 1930.
21 Zit. nach GEA vom 27. 1. 1930.
22 Zit. nach GEA vom 7. 2. 1930.
23 Vgl. KreisA RT, R 1/1 Nr. 16, Sitzungen vom 10. Mai 1922 und 19. 11. 1925.
24 Vgl. ebd., Sitzung vom 24. 6. 1926.
25 Vgl. GEA vom 25. 4. 1931.
26 Vgl. KreisA RT, R 1/1 Nr. 16, Sitzung vom 14. 6. 1928.
27 Vgl. GEA vom 25. 4. 1931.
28 Vgl. KreisA RT, R 1/1 Nr. 16, Sitzung vom 14. 6. 1928.
29 Vgl. KreisA RT, R 1/1 Nr. 16, Sitzung vom 10. 5. 1922.
30 Vgl. ebd., Sitzung vom 19. 11. 1925
31 Vgl. KreisA RT, R 13 Nr. 254; hierin findet sich auch ein Nachruf des Obst- und Gartenbauvereins.
32 Vgl. KreisA RT, R 1/1 Nr. 16, Sitzung vom 3. 7. 1924.
33 Vgl. ebd., Sitzung vom 14. 6. 1928.
34 Vgl. ebd., Sitzung vom 14. 6. 1928.
35 Vgl. KreisA RT, R 3 Nr. 449.
36 Vgl. KreisA RT, R 1/1 Nr. 16, Sitzung vom 13. 6. 1929.
37 Vgl. ebd., Sitzung vom 23. 5. 1930.
38 Vgl. ebd., Sitzung vom 27.11.1930.