Eberhard-Finckh-Kaserne

Gemeinde Engstingen

Die Eberhard-Finckh-Kaserne (in der Anfangsphase ihres Bestehens als Haid-Kaserne bezeichnet, ab 1965 benannt nach Eberhard Finckh) war von 1958 bis 1993 ein Bundeswehr-Standort auf der Hochfläche der mittleren Schwäbischen Alb im Landkreis Reutlingen. Die längste Zeit ihrer militärischen Nutzung war darin das Raketenartilleriebataillon 250 stationiert, ein im NATO-Konzept der nuklearen Teilhabe zwischen Mitte der 1960er und Anfang der 1990er Jahre eingebundener Verband in Südwestdeutschland.

Die Kaserne in der nationalsozialistischen Zeit

Im Jahr 1938 ließ das nationalsozialistische Regime eine der größten Luftwaffenmunitionsanstalten im Reich, die Munitionsanstalt Haid, auch Muna genannt, zur Lagerung von Munition und Bomben in einem Waldstück fünf Kilometer südlich von Großengstingen errichten. Die durch die Lage versteckte und gegen Entdeckung gut getarnte Anlage umfasste eine Fläche von 140 Hektar und bestand aus 76 Bunkern, 12 Arbeitshäusern und 55 Freilagern. Während des Zweiten Weltkriegs war an die Muna ein Zwangsarbeiter- und Kriegsgefangenenlager angeschlossen, in das zwischen 200 und 300 Männer und Frauen hauptsächlich aus den von Deutschland besetzten und annektierten Gebieten Polens, Frankreichs und der Sowjetunion deportiert worden waren. Während ein Teil direkt in der Muna eingesetzt wurde, zog man vor allem die französischen Kriegsgefangenen zu landwirtschaftlichen Arbeiten in den umliegenden Höfen heran. Einschließlich des einheimischen Personals arbeiteten, während der Hochphase des militärischen Betriebs, bis zu 600 Personen in der Munitionsanstalt. Etwa drei Monate vor Kriegsende wurde das Gelände von alliierten Aufklärungsflugzeugen ausfindig gemacht, daraufhin von amerikanischen Luftwaffenverbänden mehrmals bombardiert und beim letzten Angriff am 8./9. April schwer beschädigt. Einige Wochen später sprengte die Wehrmacht selbst die noch intakten Reste der Muna, um Geräte und Munition nicht den anrückenden alliierten Truppen zu überlassen. Auch alle für die NS-Verwaltung potenziell belastenden Dokumente wurden vernichtet.

Unterschiedliche Nutzung nach dem Zweiten Weltkrieg

Unmittelbar nach dem Ende der NS-Diktatur und des Zweiten Weltkriegs in Europa wurde die Anlage Mitte Mai von französischen Truppen vorübergehend besetzt. Diese gaben schließlich die Verantwortung für das Gelände 1948 an das württembergisch-hohenzollerische Finanzministerium ab, damit der Suche und der Zerstörung der Munitionsrückbestände nachgegangen werden konnte. Der Kampfmittelbeseitigungsdienst räumte bis zum Jahr 1956 eine Fläche von 172,5 Hektar, bewegte 274 Kubikmeter Erde und Beton und barg 498.000 Sprengkörper und Zünder sowie 231.000 Infanteriepatronen. Parallel dazu wurde das Areal der vormaligen Muna saniert und einige Gebäude neu errichtet. Nach dieser spärlichen Instandsetzung in den ersten Nachkriegsjahren befand sich auf dem Gelände ab 1949/50 eine Lungenanstalt für etwa 200 Patienten. Jedoch wurde diese Therapieeinrichtung bereits drei Jahre später wieder geschlossen, um ein Durchgangslager für Flüchtlinge und Vertriebene zu schaffen, in dem zeitweilig 800 Menschen lebten.
Im Februar 1958 rückten die ersten Soldaten der Bundeswehr in die neu errichtete Kaserne auf der Haid ein, die sieben Jahre später nach dem 1944 hingerichteten Widerstandskämpfer Eberhard Finckh benannt wurde. In der Folgezeit waren ganz unterschiedliche Bataillone dort untergebracht. So war ab 1967 beispielsweise das 84th United States Army Artillery Detachment dort stationiert. Dessen Aufgabe wäre es gewesen, im Ernstfall die Atomsprengköpfe scharf zu machen. Während friedvoller Zeiten war es für die Bewachung der atomaren Gefechtsköpfe im „Sondermunitionslager Golf“ zuständig, das rund eineinhalb Kilometer entfernt von der Kaserne im Haider Gemeindewald gebaut wurde. In den siebziger Jahren wurde das zum Heer gehörende Raketenartilleriebataillon 250 zu Übungszwecken mit sechs Abschusslafetten für Lance-Raketen – nukleare Kurzstreckenraketen mit einer Reichweite von 110 bis 120 Kilometern – ausgerüstet, auf die dann Atomsprengköpfe montiert wurden, die über eine doppelte Sprengkraft der Hiroshima-Bombe verfügten. Dabei lag die Freigabe zum Einsatz atomarer Waffen allein in den Händen der USA.

Schließung der Kaserne

Nach der Beendigung des Ost-West-Konflikts gab die Bundeswehr den Standort auf der Großengstinger Haid auf. Am 21. März 1993 stellte Generalmajor Berthold Graf von Stauffenberg, Befehlshaber im Wehrbereich V, das Raketenartielleriebataillon 250 offiziell außer Dienst. Die Eberhard-Finckh-Kaserne wurde als Militärstandort am 31. Dezember desselben Jahres geschlossen. Bereits im Herbst 1991 hatten amerikanische GIs mit Transporthubschraubern die atomaren Sprengköpfe abtransportiert.
Seit 1995 werden das Areal, die Anlagen und die Immobilien der vormaligen Kaserne als Gewerbepark Haid von verschiedenen Unternehmen unter dem Dach des Zweckverbandes Gewerbepark Engstingen-Haid, vertreten durch die Bürgermeister Engstingens, Hohensteins und Trochtelfingens, zivilgewerblich genutzt.