Klarissenkloster Pfullingen
Stadt Pfullingen
Laut einer im Pfullinger Klarissenkloster verfassten, bis etwa 1525 reichenden Chronik, erfolgte die Konventsstiftung im Jahr 1250 von zwei Schwestern aus einem niederadligen Pfullinger Geschlecht. Zwei Jahre später, am 21. Oktober 1252 gestattete Papst Innozenz IV. den Schwestern das Leben nach der Klarissenregel. Kurze Zeit später besiedelten Klarissen aus Söflingen das junge Kloster.
Die folgende Geschichte und Entwicklung des Klosters liegen weitgehend im Dunkeln, jedoch deuten ausgedehnte Besitzungen, die größtenteils in einem Dreieck mit den Eckpunkten Tübingen, Nürtingen und Münsingen liegen, sowie die überlieferte Anzahl von 54 Nonnen im Jahr 1413 auf einen großen und wohlhabenden bürgerlichen Konvent. Als Schwestern waren hauptsächlich Adlige aus der näheren Umgebung, später auch reiche Bürgertöchter und ab dem 15. Jahrhundert auch Pfullinger Mädchen aus wohlhabenden Familien ins Kloster eingetreten. 1539 erfolgte wahrscheinlich der Bildersturm. 1540 verfügte Herzog Ulrich von Württemberg die zwangsweise Umsiedlung von 27 Nonnen und Laienschwestern, die erst 1551 auf kaiserlichen Druck in ihr verlassenes Kloster zurückkehren konnten. Reformationsversuche durch evangelische Prädikanten und Pfullinger Pfarrer blieben erfolgslos; erst um 1590 wurde die letzte Nonne Anna Reichin (+1595) noch evangelisch. Im Restitutionsedikt von 1629 verfügte Kaiser Ferdinand II. die Rückgabe aller Klöster durch die protestantischen Reichsfürsten an ihre früheren Besitzer. Kurze Zeit später zogen wieder neue Klarissen ein – so wie 1250 kamen die Schwestern aus Söflingen –, jedoch bevorzugten diese den Aufenthalt in Reutlingen, da Pfullingen ihnen noch zu unsicher war. 1649 wurde das Kloster schließlich endgültig württembergisch. Seit 1981 dient die Klosterkirche als Konzert- und Ausstellungsraum.
Einmaliges Kulturdenkmal in Europa: Das Sprechgitter,
Foto: Rainer Hipp
Von den Klostergebäuden ist noch der Westteil der Klosterkirche erhalten mit in Europa einzigartiger frühgotischer ornamentaler Wandmalerei und der ehemalige Fruchtkasten, der heute als Wohnhaus dient. Eine Besonderheit im Garten des Klosters ist das original erhaltene Sprechgitter, welches um 1250 erbaut wurde und ein einmaliges Kulturdenkmal in Europa darstellt: Allein durch dieses „Redfenster“ war es den Nonnen möglich, mit Menschen außerhalb des Klosters zu kommunizieren, allerdings nur mit Genehmigung und unter Aufsicht. Des Weiteren zeugen mehrere große Keller und das spätbarocke Haus des Klosterhofmeisters von der Zeit als herzoglich-württembergisches Klosteramt. Verschiedene erhaltene Werke aus der Klosterbibliothek deuten darauf hin, dass die Pfullinger Klarissen sich intensiv und wissenschaftlich mit theologischen Fragen auseinandersetzten. Die „Pfullinger Liederhandschrift“, die 1470/80 entstand, erlaubt einen Einblick in das geistliche Leben der Nonnen nach der Einführung der Observanz.