Mirja Wellmann
Künstlerportrait: Mirja Wellmann (Myway Film UG)
Zu den Werken in der Kunstsammlung digital
Mirja Wellmann, Ausstellungsansicht Städtische Galerie Ostfildern, Hörperfomance
Biographie
1965
geboren in Berlin
1984 - 1996
Studium Grafikdesign, Blocherer Schule, München
Selbstständiges Grafikdesignbüro, München
1997 - 2002
Studium der Bildhauerei an der Staatlichen Akademie de Bildenden Künste, Stuttgart
bei Professor Werner Pokorny und Professor Micha Ullman
2003
Arbeitsaufenthalt in Heidelberg, Kommandantenhaus
2005
Arbeitsaufenthalt in Straßburg, Ceaac, Frankreich
2009
Arbeitsaufenthalt in Schöppingen, Nordrhein-Westfalen
2010, 2011
Lehrauftrag für Bildhauerei an der Eberhard Karls Universität Tübingen, Zeicheninstitut
seit 2017
Klangprojekt ALBTON - Kollektiv für audiovisuelle Kunst
Mitglied im Bund freischaffender Bildhauer Baden-Württemberg
lebt und arbeitet auf der Schwäbischen Alb, Mehrstetten
HörNest, Mehrstetten
Künstlerische Konzept
"Das Hören ist der Ursprung der vernünftigen Seele,
und die Vernunft spricht mit dem Klang,
und der Klang ist gleichsam Denken,
und das Wort ist gleichsam Werk."
Hildegard von Bingen
Mirja Wellmann untersucht seit vielen Jahren professionell, fast wissenschaftlich, das Phänomen des Hörens, den Schall, die Akustik, den Raum. Die Bildhauerin erstellt Hörmanuskripte oft über Stunden und Tage, erkundet die Wege des Geräuscheverursachers zum Ohr, erforscht Klänge und deren Begrifflichkeiten. Für die Künstlerin ist der akustische Reiz vordergründig und durch die Erfahrung in einem schalltoten Raum weiß sie einmal mehr, dass der Mensch akustische Impulse braucht, um sich zu verorten, um das Gleichgewicht zu stabilisieren, um seine Physis und seine Psyche zu manifestieren. Geräusche sind für die Künstlerin wertfreie Impulse, die - wenn das Hören trainiert wird - Welten öffnen. Nach der Erstellung von ausführlichen Hörprotokollen werden akustische Impulse rhythmisch visuell umgesetzt. Skulpturale Geflechte entstehen: Hörnester, Hörwolken oder Hörteppiche. Sie bestehen aus einer Vielzahl von Chiffren, die die Künstlerin als Hauptgeräuscheverursacher eines bestimmten Ortes herausgehört hat, wie etwa Kinder, Autos, Flugzeuge, Vögel, Hunde oder Blätter. Dem Betrachter dienen sie als visuelle Impulse zur Decodierung jenes Ortes, indem er seine eigenen Hör-Erinnerungen abruft. Es sind bildnerische, skulpturale Notenschriften oder Raumnoten, die flüchtige Geräusche sichtbar machen. Denn diese sind bereits vergangen, wenn sie unser Ohr erreicht haben. Das angewandte Ausdrucksmittel ist dem jeweiligen Hörerlebnis der Künstlerin adäquat, ebenso die Farbwahl, die Ballung und Streuung der einzelnen Motive.
Mirja Wellmanns Kompositionen sind ein Finden von überhörten, ungehörten und unerhöhten Geräuschen aus maximaler Aufmerksamkeit heraus und gehen weiteren Affekten des akustischen Wahrnehmungsprozesses auf den Grund: Was macht ein Klang mit dem Hörenden? Was macht ein Geräusch angenehm? Wo im Körper wird ein Ton wahrgenommen? Mit ihren Arbeiten hat sie nicht nur die Grenzen zwischen visueller und akustischer Kunst überwunden, ebenso sind Zeit und Raum immanent. Und es gehört sich, dass man die Geflechte mit einer gewissen Ruhe auf sich wirken lässt: Es ergeben sich magische Momente, in denen es scheint, als würden die Arbeiten selbst diese Klänge erzeugen oder andersherum, als wären jene es gewesen, welche die Skulpturen geflochten hätten.
Betha Maier-Kraushaar, Galerie Kunsthaus Fischer, Stuttgart
Ausstellungansicht, Galerie Kunststücke, München, 2019